am vorschiff hängt ein ball

Am Vorschiff hängt ein Ball. Das Schiff dreht sich mit dem Wind. Vor Anker. Inzwischen zwei Wochen. Oder so.
Ursprünglich dachte ich, dass mir das tierisch auf die Nerven gehen wird, so lange am Haken zu hängen. Das Schiff bewegt sich nicht, es fühlt sich an, als dehnt sich die Zeit. Der Hafen so nah aber doch nicht erreichbar. Der Ausstiegs-Termin verschiebt sich nach hinten und an diesem Gefühl ändert sich auch nichts, obgleich die Zeit auf Reede so geplant und die Heimreise darauf schon abgestimmt ist. Und jetzt, hier. Ich kann nichtmal mehr genau sagen, wie lange wir schon auf Reede liegen, hier vor Shanghai.
Die Umstände sind durchaus angenehm. Es gibt interessante Jobs in der Maschine zu erledigen, die Stunden verfliegen, wir haben Internet-Empfang, ein Luxus, die Laderäume sind leer und bereit, als Fußballfeld genutzt zu werden. So leben wir vor uns hin, machen hier und dort mal ein Fußball-Match oder nutzen einen lauen Samstag Abend als Rahmen für ein entspanntes BBQ. Keine Spur von Langeweile. Es herrscht Stressfreiheit.
Und doch. Kaum haben wir uns an das Dasein am Anker gewöhnt, geht es überraschender Weise auf einen Wochenausflug nach Norden, nach Russland, nach Wladiwostok, in die Kälte, ins Eis.
Morgen früh heißt es Anker lichten.
Die Hauptmaschine fährt an. Es startet zu vibrieren. Der Ball wird eingeholt.

gabriel